Journalismus im digitalen Zeitalter – ein kleiner Werkstattbericht aus der politischen Bildung

„Tweets, Blogs – und dann? Journalismus im digitalen Zeitalter.“ Unter diesem Motto laden mein Kollege Dr. Michael Schröder und ich am 17./18. Juni zur Tutzinger Journalistenakademie an den Starnberger See. An der Akademie für Politische Bildung diskutieren dann eine Panama-Paper-Aufdeckerin und preisgekrönte Online-Journalisten, Ausbildungschefs und Online-Vorreiter darüber, wie seriöser und ansprechender Journalismus in der digitalisierten Welt gelingen und erfolgreich zum Publikum gebracht werden kann. Hier möchte ich ein wenig über die einzelnen Panels und die Podiumsgäste informieren und gerne auch Eure Meinung hören. Das Programm gibt’s auch hier zu sehen und zur Online-Anmeldung geht’s hier.

Zum Thema der Tagung

Wie einfach war das Journalistenleben noch vor wenigen Jahren (so ist zumindest die landläufige Meinung): Die Journalistin recherchierte für sich allein, führte Interviews und nahm an öffentlichen Veranstaltungen teil. So wurde sie zur kaum anfechtbaren Expertin für einen bestimmten Sachverhalt und war berechtigt, diesen in Schrift, Bild oder Ton einzuordnen und zu kommentieren.

Doch nun krempelt die digitale Revolution in Staat und Gesellschaft auch die Medienlandschaft um. Die Digitalisierung stellt journalistische Arbeitsweisen – wenn nicht sogar das journalistische Selbstverständnis – in Frage. Ein Journalist soll immer mehr Themen in immer weniger Zeit bearbeiten können, am besten gleichzeitig in Print-, Audio- und Videoformaten. Er soll die Reaktionen des Publikums auf verschiedenen medialen Kanälen im Blick haben, auf diese antworten und sie bestenfalls als Grundlage für weitere Recherchen nutzen. Dabei soll er tiefer bohren als die Konkurrenten, schneller und öffentlichkeitswirksamer sein. Unmöglich?!

Am 17. und 18. Juni sprechen wir über das Sichern journalistischer Qualität in Zeiten von Beschleunigung, Nachrichtenflut und Clickbaiting, über Datenjournalismus, Recherche im World Wide Web und den Schutz von Informanten sowie über die Folgen der Digitalisierung für die Journalistenausbildung. Außerdem erörtern wir, wie sich Print, Online und die Sozialen Medien sinnvoll ergänzen können, und stellen ausgezeichnete Best-Practice-Projekte vor.Die Tagung richtet sich vornehmlich an Interessierte aus dem journalistisch-professionellen Berufsfeld und der Medienwissenschaft.

Auf den anregenden Gedankenaustausch an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing freue ich mich schon jetzt – aber wer hier ein wenig über das Tagungskonzept diskutieren möchte, ist ebenfalls herzlich eingeladen! Wer tritt also auf das Podium und spricht zu welchen Themen?

Die einzelnen Panels und die Podiumsgäste

Welchen Stellenwert hat Onlinejournalismus in den Redaktionen? Darüber darf ich mit zweien diskutieren, die sich in ihren Verlagen für eben diesen stark machen: Tobias Köhler, Leiter Strategie und Innovation bei der Südwestdeutschen Medienholding (zu der unter anderem die Süddeutsche Zeitung, die Stuttgarter Zeitung und antenne1 gehören) und Holger Schellkopf, stellvertretender Chefredakteur der Mittelbayerischen Zeitung. Der eine war eine ganze Weile Onlinechef der Stuttgarter Zeitung, der andere verantwortet mittelbayerische.de – sie können also genug davon erzählen, wie sich gerade die Printwelt mit der zunehmenden Digitalisierung auseinandersetzt (und auseinandersetzen muss). Und wenn sich die beiden mit Sicherheit in vielen Punkten einig sind und ergänzen werden, so ist doch eines unbestritten: Holger Schellkopfs Engagement zielt primär auf die Region Ostbayern-Oberpfalz, während Tobias Köhler mindestens den gesamten süddeutschen Raum im Blick haben muss.

Digitale Recherche, Daten und der Schutz von Informanten. Ist das zu fassen? Da kommt tatsächlich eine Journalistin, die an der Auswertung der Panama Papers mitgewirkt hat. Außerdem ist Vanessa Wormer aus dem Rechercheteam der Süddeutschen Zeitung eine ausgewiesene Expertin für Datenjournalismus und eine gekürte Top 30 unter 30 – braucht es noch mehr Gründe, um sie auf ein Panel zum Thema Daten & Informantenschutz einzuladen?!? Ihr zur Seite steht der Investigativjournalist Daniel Moßbrucker, der vergangenes Jahr mit einer Story für Aufsehen gesorgt hat über die Unmengen von Daten, die er im Zuge einer Recherche verursacht hatte. Heute bietet er bereits Workshops zum Thema „Sichere Recherche“ an (hoffentlich, das nur als kleiner Blick in die Zukunft, 2017 auch bei uns im Haus…). Dass ich auf dem Podium zwischen den beiden wie ein 33-jähriger Methusalem wirken werde, sorgt für zusätzlichen Charme.

Best Practice – Drei Beispiele aus dem Onlinejournalismus. Unser Abendpanel wird im wahrsten Sinne des Wortes ausgezeichnet – vorgestellt werden Projekte, die den Deutschen Lokaljournalistenpreis bzw. den Grimme Online Award erhalten haben. In reine Lobhudelei wollen wir aber nicht verfallen, wir wollen natürlich wissen: welche Stolpersteine gab es auf dem Weg zur Realisierung? Wie laufen die Projekte heute? Was ist mit Kritik? Nachahmern? Vorbildern? Es geht um:

Social Media als Recherchequelle? Von der nützlichen Kommunikation mit dem Nutzer. Wie kommunizieren die eben erwähnten Redaktionen mit ihren Lesern und welche Rolle spielen dabei Facebook und Twitter, Youtube und Instagram, oder gar Snapchat und Whatsapp? Wir diskutieren mit den Machern von Checkpoint und neukoellner.net, dazu gesellt sich – um die Mitarbeiterin eines klassischen Printmediums auch an der Diskussion zu beteiligen – Kerstin Dolde. Sie ist Redakteurin und Leseranwältin für Frankenpost und Neue Presse, Mitglied der Vereinigung der Medien-Ombudsleute und kann mit Sicherheit darüber berichten, dass Kommunikation nicht nur ein äußerst gewinnbringender, sondern in Zeiten der „Lügenpresse“ auch ein äußerst anstrengender Prozess sein kann.

Und was noch?

Außerdem spricht gleich zum Beginn der Tagung Prof. Dr. Ralf Hohlfeld, Kommunikationswissenschaftler und Sprecher des Zentrums für Medien und Kommunikation an der Universität Passau. Sein Thema: Qualitätssicherung im Journalismus – danach schließt sich eine Diskussion an, an der Joachim Braun, Chefredakteur der Frankfurter Neuen Presse, und die Medienjournalistin Petra Sorge (Cicero) teilnehmen.

Über die Konsequenzen der Digitalisierung für die Ausbildung von Journalisten diskutieren

  • Clemens Finzer, Leiter der Ausbildungsredaktion des Bayerischen Rundfunks
  • Christine Schröpf, Leitende Redakteurin für Landespolitik und Ausbildung bei der Mittelbayerischen Zeitung in Regensburg
  • Andreas Wolfers, Leiter der Henri-Nannen-Schule in Hamburg.

„Verifikation digitaler Quellen“ lautet das Thema von Gudrun Riedl, stellvertretende Leiterin von BR24 (Bayerischer Rundfunk), und der Leiter des ARD-aktuell Content Centers Michael Wegener.

Fragen? Anmeldung? Anregungen?

Immer her damit. Das Programm gibt’s hier zu sehen und zur Online-Anmeldung geht’s hier. Kommentiert direkt hier, schreibt mir bei Twitter oder per E-Mail.

Autor: sebhaas

Jetzt Politische (Erwachsenen-)Bildung, einstmals zum Zeitungsjournalisten ausgebildet, einiges studiert, in Geschichte promoviert.